Talent Management in Zeiten von Social Distancing

Talent Manager sind derzeit mit der Herausforderung konfrontiert, Themen neu zu priorisieren und relevante Kernprozesse nicht durchführen zu können. Dabei sind persönliche Begegnungen eigentlich ein elementarer Bestandteil – durch die COVID-19 Pandemie ist das aber nicht möglich. Was also tun? Wir haben bei Talent Managern verschiedener Branchen nachgefragt.

Wie können Talent Manager mit der aktuellen Coronakrise, die uns zum zuhause Bleiben und zu Social Distancing zwingt, umgehen? Heißt es Stift fallen lassen und abwarten bis die Krise vorbei ist oder einfach alles digitalisieren und rigide an den bereits geplanten Abläufen, Zeit- und Kommunikationsplänen diverser Talentprogramme festhalten?

Fragen wie diesen sind wir in Gesprächen mit Talent Managern verschiedener Branchen nachgegangen. Auf diese Weise konnten wir nachvollziehen, wie sich ihre Arbeit in der momentanen Krisensituation gestaltet und mit welchen Fragestellungen sie sich auseinandersetzen.

Talent Manager: Change-Begleiter in der digitalen Transformation

In vielen Fällen fungieren Talent Manager derzeit als Change-Begleiter einer erzwungenen oder zumindest beschleunigten digitalen Transformation während sie sich auch selbst mit dem Wandel der eigenen Arbeitsweisen, Strukturen und Prozesse befassen müssen. Daraus entstehen eine Reihe von Aufgaben und Implikationen.

So werden viele Talentprozesse umgestaltet und nun digital durchgeführt. Dabei sollten diese nicht leichtfertig 1:1 digital umgesetzt werden. Vielmehr muss wohl überlegt werden, was sinnvoll und machbar ist. Dennoch: Vieles funktioniert digital besser als erwartet. Beispielsweise scheint die Durchführung von Mitarbeitergesprächen und Kalibrierungsrunden virtuell gut zu gelingen – besonders, wenn Führungskräfte ausreichend Erfahrung mitbringen und die richtigen Tools an die Hand bekommen.

Remote Leadership: Unterstützung von Führungskräften

Ein besonderes Augenmerk liegt derzeit auf der notwendigen intensiven Unterstützung von Führungskräften. Alleine schon die rein virtuelle Führung – oder „Remote Leadership“ – ist für viele Führungskräfte Neuland. Zusätzlich erfordert der Umgang mit einer so außergewöhnlichen Krise, der damit verbundenen hohen Unsicherheit und Themen wie Kurzarbeit und Personalabbau, besonderes Fingerspitzengefühl. Entsprechende, ebenfalls virtuelle Führungstrainings und Coachingangebote können hierbei helfen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen außerdem, dass Führungskräfte, die bereits vor der Krise einen eher transformationalen Führungsstil gezeigt, Selbstorganisation im Team zugelassen und Entscheidungen abgegeben haben, leichter mit der Führung aus dem Home Office zurechtkommen

Platzierung von Talenten in der Krise

Gerade jetzt treibt Organisationen die Frage um, wo Potenzialträger strategisch klug einzusetzen sind. Letztlich natürlich dort, wo sie aktuell den größten Wertbeitrag für die Organisation leisten können. Kompetenzen können so möglichst effektiv genutzt und Talente in der Organisation sichtbar gemacht werden, wodurch Chancen für die Zeit nach der Krise entstehen. Auch bietet keine noch so gut konzipierte Führungs-Simulation annähernd die Lernchancen, wie die aktuelle Phase. Ein gut positioniertes Talent Management ist hier gefordert, Platzierungen von Potentialträgern in den Krisenprojekten eng zu begleiten.

Talent Management bedeutet auch interne Vermittlung

Grundsätzlich muss das Talent Management an mancher Stelle die Brille des Recruitings ab- und der internen Vermittlung aufsetzen. Durch die momentane Situation ist die Arbeitsauslastung innerhalb der Unternehmen an vielen Stellen ins Ungleichgewicht gekommen. Dem kann durch effektive Verteilung und Vermittlung von Mitarbeitern bis zu einem gewissen Grade entgegengesteuert werden. Dort, wo dies nicht möglich ist, haben Talent Manager die Aufgabe, notwendige Schritte wie Kurzarbeit bis hin zum Personalabbau zu moderieren und zu begleiten.

Talent Management ist essentiell für die Zukunft der Organisation

Die Rückmeldung in unseren Gesprächen machen deutlich: Talent Management ist nicht nur in rosigen Zeiten existentiell, sondern leistet gerade zur jetzigen Zeit einen wichtigen Beitrag für die Zukunft der Organisation. Viele Talent Manager und ihre Teams haben sich flexibel an die aktuelle Situation angepasst. Dabei sind ihre Haltung und der Blick für das Wesentliche essentiell: Es gilt zu erkennen, wie und wo Talent Management mit den verfügbaren Kompetenzen und Fähigkeiten sowie dem breiten Repertoire an Instrumenten die Organisation bestmöglich unterstützen kann. Nur so kann die aktuelle Krise sowie die Zeit danach erfolgreich durchlaufen werden.

Balanceakt: neue Inhalte vs. Kontinuität

Für Talent Manager bedeutet dies, sich mit anderen und neuen Inhalten auseinanderzusetzen, die gewohnten Vorgehensweisen zu überdenken, Neues auszuprobieren und den richtigen Grad an Kontinuität zu bewahren. Sie müssen abwiegen, welche Themen nun höchste Priorität haben und vollste Aufmerksamkeit benötigen und welche trotz aktuell geringerer Priorität fortgeführt werden müssen, damit potenzielle Risiken in der Zeit nach der Krise gering bleiben.

Über die Autor*innen

Frank Gierschmann berät seit 2013 für die hkp/// group Konzerne und Mittelständler zu allen Aspekten des Talent- und Performance Managements. Er begann seine berufliche Laufbahn in der Konzernzentrale des weltweit größten Logistikdienstleisters. Innerhalb von 11 Jahren durchlief er hier verschiedene Experten- und Führungsfunktionen im Bereich der Führungskräfte- und Personalentwicklung, zuletzt in der Rolle als Vice President Corporate Executives Staffing. 2011 folgte der Wechsel in die Schweiz, wo er bei einem börsennotierten Logistikkonzern als Global Head of Talent Management das unternehmensweite Talent Management verantwortete und unter anderem die weltweiten Leadership-Programme für Top-Führungskräfte sowie die Identifizierung und Entwicklung von High Potentials steuerte.

Anna-Maria Hirschfeld ist Senior Analystin bei hkp/// group und schwerpunktmäßig in Projekten rund um die Themen Performance und Talent Management tätig. Sie studierte Psychologie sowie Economics and Business Administration an der Universität Tübingen und sammelte durch verschiedene Auslandspraktika in der Automobil- und Hydraulikindustrie praktische Erfahrungen in den Bereichen Learning & Development, Personalmarketing und Change Management. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit beschäftigte Sie sich mit organisationspsychologischen Fragestellung und absolvierte eine Ausbildung zum systemischen Coach.

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