New Work: Vertrauen, Verantwortung, Versprechen

New Work kann unser Leben flexibilisieren, es kann ein Aufstiegsversprechen für alle sein und mit einer „Kultur des konstitutionellen Jas“ ein nachhaltiges Innovationsumfeld schaffen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass New Work als Vorteil einiger weniger wahrgenommen wird. In welche Richtung es geht, entscheiden Staat, Unternehmen und jeder Einzelne.

Digitalisierung & ihre Ebenen

Geht man einfach-definitorisch davon aus, dass die Digitalisierung ein technologischer Prozess ist, der die bestehende Wirtschafts-, Staats- und Gesellschaftsordnung neu strukturieren wird, so lässt sich diese allgemeine Feststellung als Epochenwechsel und Metaebene, die alle weiteren Ebenen involviert, begreifen.

Die Metaebene umgibt die Makro-, Meso- und Mikroebene (siehe Abbildung). Die Makro-Ebenen bilden dabei die Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Meso-Ebene wird beispielsweise gebildet aus Unternehmen, staatlichen Institutionen sowie gesellschaftlichen Organisationen. Auf der Mikroebene stehen Arbeitnehmer*innen, Bürger*innen und deren soziale Handlungen in sozialen Gruppen im Mittelpunkt. Für die Frage von #HowToNewWork soll daher hauptsächlich auf die wirtschaftliche Mikroebene der Digitalisierung eingegangen werden.

Wirtschaft Staat Gesellschaft
Makro Wirtschaftssystem Politisches System Gesellschaft/Kultur
Meso Unternehmen Institutionen (Verwaltungen, Gerichte, Parlamente, Bildungseinrichtungen) Organisationen (Vereine, Parteien, Gewerkschaften)
Mikro Arbeitnehmer*innen Bürger*innen Soziale Handlungen von Individuen (z.B. in sozialen Netzwerken)

 

New Work braucht Zusammenhalt

Doch auch in dieser Ebene gibt es nicht die eine Antwort, wie es auf die Herausforderungen der Digitalisierung einzugehen gilt. Während das aufstrebende Berliner Start-Up über flexible Arbeitszeitmodelle sprechen kann, müssen sich Packerinnen und Packer von Onlineversanddiensten von Trackern überwachen lassen. Hier entstehen divergierende Wahrnehmungen und auch unterschiedliche Lebenswelten der Digitalisierung: Für die einen schafft sie neue Freiheit, für die anderen neue Zwänge.

Dieses Spannungsfeld kann zu einem neuen politischen Cleavage führen. Daher sollten man immer wieder die Entwicklungen der digitalen Transformation im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Blick behalten und versucht werden, Lösungen hierfür zu finden. Auch dann, wenn augenscheinliche Fehlentwicklungen das eigene Leben nicht oder nur mittelbar tangieren. So ließe sich beispielsweise die Frage aufwerfen, ob von Arbeitnehmer*innen produzierte und vom Unternehmen erfasste Daten als eigenständig zu entlohnendes Gut, neben der Arbeitskraft, im Arbeitsvertrag aufzuführen sind.

New Work als Aufstiegsversprechen

Betrachtet man die Digitalisierung als Zeit gesellschaftlicher Neuordnungsprozesse, dann müssen Unternehmen, Verwaltungen und Verbände sich auf diese Neuordnung einstellen und lieb gewordene Gewohnheiten auf den Prüfstand stellen. So beginnt die Frage von #HowToNewWork bereits bei der Einstellungspolitik von Unternehmen. Diese muss sich ändern, denn die technischen Innovationen der letzten Jahre förderte eine Generation von „Digital Natives“ zutage.

Viele lernten es in der Schule oder sind Autodidakten: Sie wissen wie man Apps programmiert oder zielgerichtet soziale Medien bedient, wie digitale Prozesse in ihnen wirken oder sie kennen sich mit technischen Komponenten moderner Kommunikationsmittel aus. Zugegeben: Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Doch es gilt die „hidden Talents“ unserer Gesellschaft zu finden und immer wieder berufsbegleitend zu „empowern“ – ganz unabhängig, ob es sich um eine*n Schul-, Studien- oder Ausbildungsabbrecher*in handelt. So kann New Work zu einem Aufstiegsversprechen von Unternehmen an die Gesellschaft werden, das gefördert werden muss.

Jede Idee ist eine gute!

Neue Zeiten verlangen neues Denken. Für viele Menschen ist unsere Zeit zu unübersichtlich, da sich das Altbekannte auflöst und zu etwas Neuem strukturiert. Diesem Umstand muss in der Unternehmenskultur Rechnung getragen und alte Mechanismen über Bord geworfen werden. Daher braucht es eine Kultur des „konstitutionellen Jas“. Das heißt, in Arbeits- und Teamrunden werden Ideen zunächst nicht auf ihre Schwachpunkte untersucht, sondern Gründe dafür hervorgebracht, warum die Idee eine gute Idee ist und wie man sie umsetzen kann.

Dies hilft dabei, alte Pfade zu verlassen, um neue zu erkunden und zu gehen; denn die alten werden in modernen Zeiten nicht mehr ans Ziel führen. Also gilt es, Neue zu finden. Diese Denkweise unterstützt dabei die Mitarbeiter*innen, sich immer wieder neu einzubringen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Das Unternehmen bleibt auch aus sich selbst heraus innovativ und die Mitarbeitenden können auch im Kleinen mitbestimmen.

Verantwortung und Vertrauen statt Kontrolle

Die technischen Möglichkeiten machen viele Dinge möglich. So können Konferenzen per Video-Call, Telefonkonferenzen oder allgemeinere Geschäftsaufgaben auch problemlos von unterwegs, zuhause oder aus Coworking Spaces heraus abgehalten und erledigt werden. Dieser Umstand flexibilisiert das Arbeitsleben noch weiter. So wird Home Office immer stärker nachgefragt und wahrgenommen werden. Gerade für zum Beispiel junge Familien oder Alleinerziehende ist dies ein Vorteil, um flexibel bleiben zu können.

Doch wie so oft: Neue Freiheit bedarf auch neuer Verantwortung. Denn auch diese Freiheit will verantwortungsbewusst im Unternehmen und im Team organisiert werden. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bedeutet also nicht, ins Büro zu kommen, wann es passt, sondern sich mit anderen Kolleg*innen abzustimmen und zu organisieren, um Verständnis und Vertrauen im Team aufrechtzuerhalten und zu fördern.

Die freien Jahre

Die Auswirkungen der Digitalisierung werden lange spürbar bleiben. Der Arbeitsmarkt wird sich weiter flexibilisieren, Arbeitsplätze mit einfacher Tätigkeit werden perspektivisch verloren gehen, dafür an anderer Stelle Arbeitsplätze mit höherwertigeren Tätigkeiten neu entstehen. Auf diese Entwicklungen muss der Staat auf der Makroebene eingehen und seinen Bürger*innen auch Möglichkeiten des Verschnaufens geben.

Ein Sabbatical ist der breiten Arbeitnehmerschaft ein Fremdwort, aber es bildet eine innovative Antwort auf die neuen Zeiten. So könnte man sich drei Jahre Zeit für sich nehmen; die „freien Jahre“. Diese Zeit soll man für sich nehmen und selbst entscheiden, wie man die Zeit verbringt. Weder Staat noch Wirtschaft sollen in dieser Zeit Zugriff auf den Menschen haben. Die freien Jahre können im Stück oder in Teilen beansprucht werden. Nach der Ausbildung oder dem Studium eine längere Reise begehen, um im jungen Alter die Welt mit eigenen zu Augen entdecken? Im mittleren Alter einfach mal ein paar Monate ausspannen und machen, was man sich schon so lange vorgenommen hat? Die freien Jahre im höheren Alter nutzen, um die Zeit bis zur Rente zu überbrücken oder nochmal studieren?

So vielseitig wie die Möglichkeiten der Einteilung der freien Jahre, sollen die Möglichkeiten sein, die sie konkret bieten. Für mich ist klar: Der Staat muss die freien Jahre befähigend finanzieren. Über die Ausgestaltung der freien Jahre muss gesamtgesellschaftlich gesprochen werden, doch schon hier ließe sich der Kulturwandel hin zum konstitutionellen Ja anwenden.

Den Erfolg von New Work müssen alle spüren!

Dies sind nur einige Vorschläge, die Antworten auf die Frage #HowToNewWork geben können. Zentral für die positive Wahrnehmung des Begriffes New Work wird aber sein, dass er nicht als exklusiver Vorteil einiger weniger wahrgenommen wird, sondern dass er als Beitrag die Arbeit aller Angestellten in die neue Zeit trägt. Vom großen Unternehmen über das Start-Up, von der Handwerkerin bis zum Packer: Der Erfolg von New Work muss sich also daran messen lassen, ob es branchenübergreifend und flächendeckend möglich sein wird Strukturen, Prozesse und allgemeine Arbeitsbedingungen für alle zum Positiven zu verändern.

 

Über den Autor

Stefan Krabbes (31) ist Blogger und Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Er studierte Politikwissenschaft & Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er beschäftigt sich auf seinem Blog mit den Themen Demokratie in sozialen Medien sowie den Auswirkungen und den Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung, die er als Industrialisierung unserer Zeit versteht. Stefan Krabbes ist aktives Mitglied im Verein Fearless Democracy, einem Netzwerk von Kommunikationsprofis, die sich für die Zivilgesellschaft und für ein Netz ohne Hass einsetzen.

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