#HowToNewWork braucht Besserfrager statt Besserwisser!

Es gibt Menschen, die wissen immer alles besser. Manchmal imponiert es, meist langweilt es. Beziehen sich doch die Besserwisser meist immer nur auf Erfahrungen – und damit Alt(bewährt)es. Wer Neues schaffen will, braucht keine Besserwisser, sondern Besserfrager: Menschen, die alles infrage stellen und bereit sind, zu steigern, zu reduzieren, rumzudrehen oder zu kombinieren…

Im Rahmen von #HowToNewWork wurde bereits über Arbeitszeit, Freizeit, Flexibilisierung, Gender Pay Gap, Wertschätzung, Sinn, Werte, Anerkennung, Wissenstransfer, Vernetzung, Haltung und Menschbilder diskutiert. Mein Menschenbild sagt mir: Jeder Mensch ist anders, einmalig, vielfältig und wertvoll. Menschen haben sehr unterschiedliche Talente wie zum Beispiel Hochsensibilität, Perfektionismus, ein absolutes Gehör, eine tiefe Radio-Stimme oder eine Rampensau-Präsenz. Wie stark Talente genutzt werden, liegt am Training und am Einsatz. Unterschiedlich ausgeprägte Erfahrungen führen selbst bei ähnlichen Talenten zu wachsender Unterschiedlichkeit der Menschen.

Hand aufs Herz: Wie schaut’s aus mit Diversity?!

Vielfalt wird häufig als wichtige Voraussetzung für Innovationen genannt. Doch wie offen sind wir wirklich für Unterschiede? Abweichende Meinungen? Sachlichen Streit? Krasse Widersprüche? Sind wir zufrieden, wenn alle mit unterschiedlichen Meinungen aus einer Debatte herausgehen? Oder feiern wir Harmonie? Wollen wir Konsens oder verschiedene Lerneffekte bei allen Beteiligten? Sprechen wir mit Menschen, die gegenhalten und andere Meinungen vertreten?

Die SZ titelt: „Nur in Diktaturen darf nicht gestritten werden“. Streiten zu dürfen, ist ein errungenes Privileg. Nutzen wir es? Was fördert und stärkt Vielfalt in Organisationen? Wie kommen Meinungen von Minderheiten zu Wort? Ist Widerspruch zu Abläufen und Organisationsmodellen gewünscht? Sind standardisierte und wiederholbare Modelle sinnvoll? Können 10 oder 100 Modelle alle 3,6 Millionen Unternehmen, 580.000 Vereinen und 8.500 Genossenschaften in Deutschland abbilden? Oder sind die 4,2 Millionen Organisationen durch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Branche, Region, Tradition und Spezialisierung zu unterschiedlich? Können wir Prozesse passgenau designen für individuelle Menschen, Märkte, Branchen, Regionen? Können wir die Unterschiedlichkeit von Organisationen abbilden? Sind wir überhaupt bereit, uns die Diversität aller Prozesse und Abläufe vorzustellen? Suchen wir nicht stattdessen permanent nachvollziehbare Organisationsmodelle und beschreibbare Standards? #HowToNewWork braucht Besserfrager statt Besserwisser.

44 Fragen für mehr Ideen

Stellt alles infrage. Stellt Euch beim Warten an roten Ampeln, im Supermarkt an der Kasse, im Stau oder im verspäteten Zug 44 Fragen. Statt sich zu ärgern wird die Zeit genutzt und das Fragen trainiert. ALLES geht anders. Warum hat sich die Mehrheit passender Bewerberinnen und Bewerber noch nicht bei euch beworben? Die Mehrheit potenziell passender Kandidaten kennt den Betrieb gar nicht. Garantiert. Die Frage führt weg vom Fachkräftemangel-Chor und dreht die Perspektive hin zur Aufmerksamkeit, DER Grundvoraussetzung für Bewerbungen. Weniger Bewerbungen zu bekommen, ist logisch, wenn einen keiner kennt. In Europa streiten 23 Millionen Unternehmen um Aufmerksamkeit. Wer fällt auf? Begeistert das Angebot? Zieht die Personalsuche magnetisch an? Stellt 44 Fragen zur Attraktivität und zum Leistungsversprechen an potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Fragen führen zu überraschenden Einsichten.

Vor welchem Tier rennen Elefanten weg? Vor Bienen! Erst die Frage brachte die überraschende Lösung. Nun werden rund um die Felder Bienenstöcke gebaut statt Zäune und Mauern. Jedes Wort ist eine feststehende Definition, die unser Blickfeld beschränkt. Zur Herausforderung „Schutz vor Elefanten“ sind große Zäune und hohe Mauern normal. Niemand denkt an Bienenstöcke, obwohl Bienen effektiver und effizienter schützen. Fangen wir an, Worte zu hinterfragen. Was infrage gestellt wird, bietet Raum für neue Lösungen, Überraschungen und unbekannte Cocktails.

Subversiv verknüpft

Neues ist unbekannt. Alles Bekannte ist nicht neu. Doch Unbekanntes ist keine Zauberei, sondern entsteht durch solides Handwerk. Allen, die regelmäßig 44 Fragen stellen, garantiere ich wachsende Ideenfitness. Leider wollen die meisten Unternehmen innovativ sein ohne den Status quo infrage zu stellen. Wer wirklich regelbrechendes Querdenken etablieren will, kann dies trainieren. Definiere die Bestandteile von bekannten Angeboten, Produkten und Prozessen. Ein Bestandteil wird gestrichen, eins umgedreht und eins gebrochen: Das Angebot ist NEU! Ein Teil wird verkleinert: NEU! Ein Teil wird ersetzt und eine Regel geändert: NEU! Dieses Prinzip kann jeder Mensch anwenden und professionalisieren. So wächst Ideenfitness.

 

Diese 18 Handwerkszeuge sind Garanten des Neuen:

  1. Steigern
  2. Umdrehen
  3. Brechen
  4. Verkleinern
  5. Ersetzen
  6. Reduzieren
  7. Streichen
  8. Infrage stellen
  9. Vertiefen
  10. Vergrößern
  11. Entdecken
  12. Regel ändern
  13. Kombinieren
  14. Nutzen erhöhen
  15. Übertragen
  16. Provozieren
  17. Fehler machen
  18. Träumen

 

Fachkräftemangel ist Ideen-Mix-Mangel

Niemand meldet sich nach der ersten Runde Joggen zum Marathon an. Aber alle meinen, im Meeting werden spontan und gänzlich untrainiert geile Ideen gebrainstormt. Wie soll das gehen? Welche Mannschaft geht ohne Training und ohne sich aufzuwärmen aufs Spielfeld und erwartet einen haushohen Sieg? Doch Ideen werden nebenbei aus dem Ärmel geschüttelt? Das ist Dilettantismus oder Hochmut. ‚Subversiv verknüpft‘ bringt immer unbekannte Ergebnisse. Steigern und streichen. Umdrehen und ersetzen. Was passiert, wenn ein Bäcker ein Millionenfach genutztes Element vergrößert und zusätzlich den Nutzen erhöht? Statt minikleinen Zetteln im Schaufenster „suche Bäcker“ – das machen eine Million Handwerker und 345.000 Einzelhändler – könnte eine Bäckerei das gesamte Schaufenster für ein Riesenplakat nutzen. VERGRÖSSERT. Darauf steht: „Wer uns eine Fachkraft empfiehlt, bekommt ein Jahr Brot und Brötchen umsonst.“ NUTZEN ERHÖHT. Sofort suchen ALLE Passanten und Kunden für die Bäckerei im Freundes- und Bekanntenkreis. Direkt, einfach und günstig. Der Friseur bietet ein Jahr Haarschnitt. Autowerkstätten bieten Reifenwechsel, Inspektion und Freifahrten in neuen Modellen. Warum schalten Bäcker und Friseure überhaupt Stellenanzeigen?

Keiner verschenkt langweilige Bücher. Aber standardisierte, austauschbare Stellenanzeigen sollen hochmotivierte Bewerber anziehen? Das ist schizophren. Erwartet ein Fußball Scout, dass Talente am Schreibtisch vorbei kommen? Der Fußball Scout geht dahin, wo der Nachwuchs Fußball spielt. Draußen. Wo geht ihr hin? Wo trefft ihr interessante Menschen, die euer Team perfekt ergänzen? 7 Milliarden Wege führen zu 7 Milliarden Menschen. Fachkräftemangel ist Ideen-Mix-Mangel. Eine Firma lädt Patentinhaber zum Sommerfest ein. Locker und fröhlich. Einige Patentinhaber wechseln zu dem Unternehmen. Nicht sofort. Aber nach dem zweiten oder dritten Sommerfest. Das ist kreativ. Passgenau. Zielsicher. Außergewöhnlich.

Die Firma YOC hat einen Porsche an einen Kran gehängt. NEU KOMBINIERT. Alle Medien berichten darüber. Zwei Mal. Als der Porsche hängt und als der Porsche abstürzt, denn das Spiel hieß „Cash or Crash“. PROVOZIERT. Die Caritas Düsseldorf wirbt mit: „Bei Anruf Ausbildung.“ Kein Lebenslauf, keine wochenlange Wartezeit. Der klassische Prozess gestrichen. STREICHEN. Ein Hotel in Emden hat den Mitarbeitern die Überstunden verboten. Die Fluktuation sank. Mehr Bewerbungen kamen. Überstunden weg – spricht sich herum. STREICHEN. 130 Bahnunternehmen werben für Schienenjobs. Scheinbare Konkurrenten sind zusammen sichtbar und steigern ihre Attraktivität. STEIGERN. Wer sagt, dass Azubis jung sein müssen? 15jährige werden in Europa weniger. Und 50jährige werden mehr. Bildet 50jährige aus. Und 20-, 22-, 25jährige Studienabbrecher. Hunderttausend Potenziale pro Jahr. Wo ist das Problem? REGELN BRECHEN.

Leckere Cocktails leben von ihren Zutaten und dem Mix, der neuen Kombination

Eine Idee ist nie komplett neu. Das Unbekannte entsteht aus der neuen Zusammensetzung. Dem bisher unbekannten Mix. Bereits gemixt wurden Salz + Streuer, Kerzen + Ständer, Tee + Beutel. Hingegen ist der Mix aus Mehl + Mehl langweilig. Doch in den meisten Unternehmen versuchen im Meeting immer dieselben Menschen auf neue Ideen zu kommen. Gleich + gleich = gleich. Es fehlt Vielfalt. Unbekanntes braucht Zutaten, die bisher niemand gemixt hat. Ideen sind zuerst immer absurd, scheinbar unpassend. Ohne Fremdes nichts Neues. Wo stopft ihr euch voll mit Fremdem und Absurdem? Was lest ihr? Was hört ihr? Was beobachtet ihr? Was regt euch auf? Was füllt die Vorratskammer? Vielfalt und Widerspruch im Team bringt scheinbar Unpassendes. Sind Zutaten gesammelt, wird gemixt, ersetzt, übertragen, umgedreht. Das ist der kreative Kern-Prozess, den viele Brainstorming nennen. Neu kombinieren, probieren, mixen, probieren, mixen.

Trainierte Ideen-Entwickler wenden das Handwerkszeug an und steigern, drehen, brechen, verkleinern, ersetzen, reduzieren, streichen, stellen infrage, vertiefen, vergrößern, entdecken, ändern Regeln, kombinieren, erhöhen Nutzen, übertragen, provozieren, machen Fehler und träumen, mixen, probieren, mixen, probieren. Sprecht mit voller Überzeugung den Schwur der Spinner: „Ich schwöre, dass ich grenzenlos spinne, dass ich alles für möglich halte, und sollte ich destruktive Kritik äußern, so soll mir eine rote Knollennase wachsen.“ Um Ideen nicht tot zu trampeln, hat Kritik beim kreativen Mixen Hausverbot. Erst spinnen, provozieren, umdrehen, steigern und neu mixen. Wenn zu früh Kritik geäußert wird, ist die Idee tot. Ist der Ideenberg groß genug, wird alles anhand derselben nachvollziehbaren Kriterien durchgesiebt und ausgewählt.

Don`t criticize, improve

Wer Schmetterlinge will, darf auf Raupen nicht treten. Wer Ideen hört, sieht und erlebt, haut bitte nicht drauf. Lernt Ideen kennen. Stellt konstruktive Fragen. Gebt Ideen eine Chance. Verwöhnt sie wie beim ersten Date. Reichert das Positive an. Denkt mit und verbessert die Idee. Nicht wie ein Besserwisser, sondern wie ein neugieriger Besser-Frager. A L L E S, was wir selbstverständlich nutzen, ging nicht – bis es gemacht wurde. A L L E S Alltägliche besteht aus Ex-Ideen. Wenn Menschen sagen „geht nicht“, lacht fröhlich und ruft laut „Halleluja“. Wenn etwas noch nicht geht, kann etwas Neues gemixt werden. Halleluja. Sagen Leute hingegen „das geht“, ist es nicht neu und nicht unbekannt. Jenseits der bekannten Grenzen ist das Neue zuhause. Ideen sind an Orten, wo noch niemand war. Kreativität bedeutet, weiter ins Unbekannte vorzudringen als alle Menschen zuvor. Nur wer an Grenzen stößt, kann diese überschreiten.

Doch nicht jede Idee ist ein Diamant. Die meisten Ideen sind Sprungbretter zur nächsten Idee. Oder Schrott. Auch Ideen-Profis produzieren viele Schrott-Ideen. Um ein Karat echten Diamant zu finden, braucht man 150.000 Tonnen Geröll. Zudem kommt keine Idee perfekt aus dem Kopf. Die Ideen, die sich durchsetzen und funktionieren, werden 100 Mal geschliffen und verändert. Immer wieder werden Elemente gestrichen, vergrößert, verkleinert und gebrochen. Ideen zu mixen ist ein Prozess. Bei Babys erkennt niemand direkt nach der Geburt die Talente. Erst mal füttern, wärmen und liebhaben. Auch Ideen brauchen Zeit und Energie zum Wachsen. Netflix feiert 2018 seinen 21. Geburtstag. Wie lange kennt ihr Netflix? Alles, was bekannt ist, war lange Zeit ein Baby und Kleinkind und hatte Zeit zum Wachsen, Reifen und Entfalten. Ideen brauchen Resonanz zur Weiterentwicklung. Dazu werden Prototypen gebaut und Pilotprojekte getestet.

Das Neue lässt sich in Worten sehr schlecht transportieren, denn unsere Worte sind alte, bereits bekannte Definitionen. Das Neue in alten Worten wird selten verstanden. Wenn der neue Nutzen der Idee nicht glasklar transportiert wird, heißt es „geht nicht“. Ideen können mit Bildern, Erlebnissen und Prototypen getestet und die Resonanz erlebt werden. Schmeckt die Idee den Menschen, für die sie gemixt wurde? Nicht raten, sondern fragen. Mit der Resonanz wird wilder gemixt und neu probiert, bis es schmeckt. Wer geht neue Wege? Wer unterscheidet sich? Wirklich? Menschen wünschen sich Instant-Kreativität per Klick oder Formel. Dabei ist es einfach harte Arbeit. Ein guter Cocktail-Mixer mixt hunderte Rezepte und bietet seinen Gästen den Besten Mix an. Don`t criticize, improve.

 

Fazit: Vielfalt feiern und Ideenfitness trainieren!

Schenken wir Unterschieden wirklich Wertschätzung? Sehen wir den Wert von Vielfalt, Widerspruch, 44 Fragen und Menschen, die ganz anders ticken als wir? Sind wir bereit, Ideenfitness zu trainieren? Wollen wir mixen, ersetzen, verkleinern, steigern und schleifen bis es schmeckt? Durchbrechen wir den gleich-und-gleich-gesellt-sich-gern-Fluch? Arbeit ist kein Selbstzweck. Arbeit basiert auf Herausforderungen, die wir anpacken und bestmöglich lösen. Neue Herausforderungen gibt es immer. Also gibt es immer Arbeit. Arbeit hört nie auf – unabhängig davon wie wir sie nennen und organisieren. Wenn wir mehr Fragen stellen, neu mixen, schleifen und ausprobieren, wächst die Zahl der Möglichkeiten rasant. Lasst uns Vielfalt feiern und Ideenfitness trainieren. Es gibt so viel zu verändern und besser zu machen in der Welt. Wir stehen vor sehr großen Herausforderungen. Das ist viel Arbeit. Lasst Maschinen machen, was sie besser können, damit Menschen ihre Potenziale zur Entfaltung bringen. Freuen wir uns auf kreatives #HowToNewWork in großer, bunter Vielfalt!

 

 

Über den Autor

Martin Gaedt ist Autor von Mythos Fachkräftemangel“ und „Rock Your Idea und seit 1999 Unternehmer. Sein 10. Startup Sharetrust steht kurz vor dem offiziellen Launch. Seine kollaborative Recruiting-Plattform cleverheads ermöglicht die direkte und datenschutzrechtlich korrekte Empfehlung von guten Kandidaten, die man selbst nicht einstellen kann. Mit Provotainment öffnet er in seinen Vorträgen Augen für Innovation und verschreckt Trägheit und Gewohnheit.

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