Vom New Work Blitz getroffen

Wo geht´s zum Arbeitsplatz der Zukunft? Bei dieser Frage würden unzählige Unternehmen die Hand heben und energisch HIER rufen. Denn einige haben viel Zeit und Geld in ihre Konzepte investiert. Sie ersetzten alte Strukturen durch kollaborative Arbeitsformen. Und erklären sich stolz zum „Arbeitgeber der Zukunft“. Oder weltmännischer zur „New Work Company“.

Das Arbeiten nach den Prinzipien des sozialen Netzwerkens gerät in Unternehmen zunehmend en vogue. Manche Firma scheint die Ära traditioneller Entscheidungswege und Präsenz-Meetings bereits ganz hinter sich gelassen zu haben – zugunsten von Homeoffice, Co-Working Spaces und virtuellen Spielzeugen wie Slack oder Skype for Business. „Activity Streams“ und „Whats´Apps“ ersetzten schon lange die E-Mai Kommunikation, und aus schnöden Projektgruppentreffen werden weltweit vernetzte Business-Communities.

Informalisierung, Design Thinking und agiles Arbeiten

Einverstanden: New-Work-Konzepte, die in erster Linie durch Homeoffice oder eigenverantwortliches Arbeiten geprägt sind, erleichtern die Arbeit enorm. Jedermann kann über eine Art Informalisierung der Arbeit jederzeit Wissen und Informationen frei austauschen und für sich verfügbar machen. Damit fühlt sich der Kollege am anderen Ende der Welt auf einmal ganz nah an.

Inhalte lassen sich bequem teilen, gemeinsam bearbeiten, kommentieren und Ergebnisse flott austauschen. Mancher Unternehmensvertreter mag zu Recht davon schwärmen, durch Design Thinking oder agiles Arbeiten die Arbeitsumgebung erst so richtig attraktiv für die Mitarbeiter gemacht zu haben – belohnt durch enorme Kosten- und Zeitersparnis sowie höhere Produktivität.

Das Grundproblem bei der Interpretation von New Work

Vor diesem Hintergrund wundert es mich umso mehr, dass doch noch viele Firmenvertreter die neuen Arbeitsweisen in erster Linie als prozessorale und technologische Herausforderung verstehen. Ich erkläre es mir damit, dass sie die sich verändernden Sichtweisen darauf, wie man gerne arbeiten möchte, erst durch den Einsatz von Prozess-Werkzeugen und kollaborativen Technologien begreifen. Dabei wird leider häufig übersehen, welche strukturellen Schwierigkeiten New Work mit sich bringt.

Im definitorischen Sinne hat New Work im Wesentlichen eine menschliche, eine gesellschaftliche sowie eine organisatorische Facette. So sagt es zumindest Frithjof Bergmann, ein US-amerikanischer Philosoph mit österreichischen Wurzeln. In Projekten sehe ich häufig, dass bestenfalls die organisatorische Dimension bedient wird. Den Menschen haben viele nicht im Visier, ganz zu schweigen von der Gesellschaft. Hier liegt meiner Ansicht nach das Grundproblem bei der Interpretation von New Work.

New Work als Vehikel, und nicht als Botschaft

Denn während viele Anbieter und Berater die Vorteile der neuen Arbeitswelt über den Klee loben, stellen die Betroffenen ihren persönlichen Mehrwert erst einmal in Frage. Die Hochschule Niederrhein hat sogar in einer Hypothese zur Arbeitswelt 2030 publiziert, dass bei anhaltender Digitalisierung und Veränderung wieder die Sehnsucht nach dem persönlichen Büro entstehen werde. Daraus spricht der Mensch hinter dem Mitarbeiter. Aber wir müssen nicht erst bis 2030 warten, schon heute sorgen sich Mitarbeiter darum, vor lauter open workspaces und virtuellen Meetings nicht die persönliche Beziehung zu den Kollegen und Vorgesetzten zu verlieren.

Denn eines ist klar: nicht alle Arbeitsformen brauchen einen New Work Ansatz. Das Medium selbst darf nicht zur bloßen Botschaft werden, nur, weil die Community New Work zu einem Technologie-, und Organisationsthema degradiert hat. Vielmehr sollten die New Work Initiativen zu ihrem Ursprungsgedanken zurückkehren und als Selbständigkeit, Freiraum und Teilhabe für jeden einzelnen angegangen werden. Also New Work als Vehikel, und nicht als Botschaft.

 

Über die Autorin

Silvia Hänig verfügt über mehr als 15 Jahre internationale und nationale Beratungs- und Kommunikations-Management-Erfahrung bei Innovationsführern, High-Tech Unternehmen sowie Professional Services Anbietern. Sie lenkt strategische Kommunikationsprojekte auf Top-Management Ebene und führt Teams, steuert aber auch die tägliche Themen-Performance langfristig angelegter Positionierungsvorhaben. Ihr Beratungsfokus ist es, Unternehmen bei der Neuausrichtung des Geschäftsmodells auf dem Weg des digitalen Wandels kommunikativ zu unterstützen.

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