#NewWork braucht interne Unternehmer!

Na, surfen Sie noch auf der Buzzword-Welle oder fühlen Sie sich schon überrollt?! Viel dazwischen gibt es derzeit nicht. Doch das ist gefährlich. Gerade im Mittelstand müssen wichtige Weichen gestellt werden. Hier helfen weder agiler Aktionismus, noch progressive Phrasendrescherei: es braucht (Achtung Buzzword!): Intrapreneure.

Manch Mittelständler schläft in den letzten Monaten ziemlich unruhig und fragt sich, ob er in einigen Jahren noch rentabel sein kann – oder überhaupt noch existiert. Die Großen machen es vor: Digitalisierung, agile Innovationsprozesse, Venture Capital für Startups, Dezentralisierung von Geschäftsprozessen über Blockchain und so weiter und so fort.

Die digitale Transformation findet derzeit scheinbar vor allem an den Konferenztischen der Vorstandsetagen statt. Der CEO nennt sich fortan Chief Empowerment Officer und digitale Visionen werden in Form von Hochglanzbroschüren sowie schicken Homepages präsentiert.

Digitale Visionen in einfache Maßnahmen übersetzen

Doch was bedeutet das alles für den Mittelstand? Hat er überhaupt noch die Chance gegen die Digitalisierungswelle anzukommen? Die Antwort ist ein klares Ja! Zumindest, wenn es um Buzzwords geht, die banale Selbstverständlichkeiten wie „Rocket Science“ aussehen lassen. Worauf es wirklich ankommt, das ist die Übersetzung digitaler Visionen in einfache Maßnahmen, die durch organisationale Rahmenbedingungen permanent zur Verfügung gestellt werden.

„Wir wollen uns in neuen digitalen Geschäftsmodellen etablieren“ – aus diesem hehren Wunsch alleine entspringen genauso wenig innovative Ideen, wie aus einer reinen Orientierung an Trends oder akuten Marktbedürfnissen.

Wecken Sie den Intrapreneur in Ihren Mitarbeitern!

Vielmehr braucht es Rahmenbedingungen, die Mitarbeiter befähigen, von sich aus innovative Ideen zu generieren. Unternehmen sollten versuchen, den internen Unternehmer – den Intrapreneur – in ihren Mitarbeitern zu wecken.

Damit bedeutet Intrapreneurship für ein Klima stetigen Agierens zu sorgen – und entkoppelt somit vom reaktiven Hinterherhächeln kurzfristiger Trends. Der amerikanische Wissenschaftler Gifford Pinchot prägte bereits 1985 den Begriff des Intrapreneurs und bezeichnete damit Mitarbeiter, die so visionär und engagiert als Angestellte in einem Unternehmen arbeiten, als wäre es ihr eigenes. Intrapreneure benötigen keine Anleitung oder Überwachung um marktbeeinflussende Innovationen hervorzubringen. Weltbekannte Beispiele wie der erste Macintosh von Apple, GoogleMail von Google oder die Klebezettel von 3M sind alles hoch disruptive Innovationen, die ohne Druck des Marktes, durch Mitarbeiter selbst entstanden sind. Über den Erfolg dieser drei Produkte braucht nicht weiter berichtet zu werden.

Die Intrapreneurship-Kultur macht das Ergebnis zum Ziel und kreiert ein Wir-Gefühl

An diesem Punkt sollte angesetzt werden: Um Intrapreneur zu werden, sollten Mitarbeiter das Gefühl bekommen, autonom zu arbeiten. D. h. sie bewegen sich in einem Rahmen der Erlaubnis, der ohne enge Grenzen das Ergebnis zum Ziel macht und Mitarbeitern dieses auf ihre eigene Weise erreichen lässt. Zusätzlich wird die Kompetenz der Mitarbeiter, also ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Führungskräfte aktiv wahrgenommen und geschätzt, sodass gleichzeitig ein Wir-Gefühl geschaffen wird.

Die Ausgestaltung einer Intrapreneurship-Kultur, welche vorhandene Ressourcen nutzt, einfach zu implementieren ist, das interne Unternehmertum fördert, keine strategische Steuerung benötigt, permanent auch ohne Marktdruck Weiterentwicklungen vorantreibt und für zufriedene Mitarbeiter sorgt – eine solche Kultur halte ich für einen der wichtigsten Bestandteile einer wünschenswerten neuen Arbeitswelt (neudeutsch „New Work“). Wie man diese heute schon angeht? Indem man sukzessive an den folgenden Punkten arbeitet:

Management-Unterstützung

Es mag selbstverständlich klingen, viele Arbeitnehmer wissen indes, dass es alles andere als das ist: Es braucht Wertschätzung und konstruktives Feedback. Diese zwei Faktoren sind noch immer entscheidend für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Es bestärkt Betroffene darin, sich weiter in ihrer Tätigkeit zu engagieren bzw. sich in bestimmten Gebieten zu verbessern.

Gleichzeitig sollten sich Führungskräfte eine gewisse Risiko- und Fehlertoleranz aneignen. Ohne das Eingehen von Risiken sind disruptive Innovationen nur schwer möglich und wenn die Umsetzung einer Idee scheitert, war es den Versuch wert. Denn nicht jede Idee ist ein Volltreffer. Der Rahmen der Toleranz gegenüber Risiken und Fehlern sollte dabei offen kommuniziert werden. Es gilt monetäre oder sicherheitsrelevante Grenzen zu definieren, die keinesfalls überschritten werden sollten.

Autonomie und freie (Zeit-) Einteilung

Führungskräfte sollten zudem lernen, darin zu vertrauen, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit selbstständig erledigen. Über eine transparente Aufgabenklärung, inklusive des Setzens eines entsprechenden Rahmens (Ressourcen, zeitliche Fixpunkte etc.) wird maximale Autonomie zugestanden. Mitarbeiter können selber entscheiden, wann und wie sie ihre Arbeit erledigen. Das was zählt, ist das Ergebnis. Führungskräfte sollten dabei immer signalisieren, dass sie jederzeit für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung stehen, um kein Überforderungsgefühl oder den Eindruck des Alleinlassens entstehen zu lassen.

Offene Organisationsgrenzen

Auch das interne Zusammenspiel der Organisationseinheiten muss gefördert werden: beispielsweise durch gemischte Büros, Hospitationen, gemeinsame Veranstaltungen – oder völlig anderen, eigenen Formaten, die von abteilungsübergreifenden Teams erarbeitet werden. So wird das soziale Gefüge gestärkt. Im besten Fall entsteht ein selbstgesteuerter Austausch und Mitarbeiter treiben eigenständig in überfachlicher Zusammenarbeit Ideen voran. Sie entwickeln die Organisation durch neue Impulse weiter, da sie die Erlaubnis des Managements haben und wissen, in welchem Rahmen sie sich bewegen und auch Risiken eingehen können.

Auch nach außen hin müssen sich Organisationen öffnen. Hierzu tragen regelmäßige Messebesuche, Kontakt zu Startups und die Teilnahme an Hackathons bei. Gepaart mit neueren, agilen Methoden wie Design Thinking Workshops, Innovationssprints oder Ähnliches kann ein Mindset entstehen, das dafür sorgt, dass Unternehmen sich automatisch mit den Marktanforderungen und -bedürfnissen entwickeln.

Belohnung

Es geht nicht mehr darum, sich ausschließlich über das monatliche Gehalt zu motivieren, welches keinen direkten Bezug zu tatsächlich Geleistetem hat. Für Intrapreneure ist es wichtig, sich über ihre Tätigkeit zu motivieren. Dazu gehört z. B. dass Ideen zu Innovationen aber auch eine gute Arbeitsleistung direkt und zeitnah durch „Spot Awards“ (als Geld- oder Sachprämie) belohnt werden. Neben Prämien motiviert vor allem das Arbeitsumfeld und Anerkennung durch Kollegen und Führungskräfte. Dies kann vor allem durch die oben beschriebenen Ausgestaltungsvorschläge einfach erreicht werden.

Die größten Disruptionen sind nicht durch Innovationsstrategien entstanden!

Es könnte der Eindruck entstehen, dass Unternehmen momentan enorm unter Druck stehen, sich der digitalen Transformation mit allen Mitteln beugen zu müssen. Richtig ist, dass Handlungsbedarf besteht. Doch für Unternehmen, die sich nachhaltig und zukunftsgerichtet etablieren wollen, sollte dieser ständig bestehen. Durch Fördern einer Intrapreneurship-Kultur und einer Offenheit gegenüber aktuellen und zukünftigen Entwicklungen kann ressourcenschonend so mancher Trend rechtzeitig analysiert und nachverfolgt werden. Die größten Disruptionen sind nicht durch ausgefeilte Innovationsstrategien entstanden, sondern Bottom-Up, durch eine vorhandene Ressource: den Mitarbeitern selbst. Letztendlich obliegt es dem Management, dies zu ermöglichen, vorzuleben und entscheidende Ideen aktiv zu fördern!

 

Über den Autor

Hannes Klingenberg ist Senior Analyst bei der hkp///group im Bereich Board Services. Hier beschäftigt er sich vornehmlich mit Fragen der Corporate Governance, wie zum Beispiel Vorstandsvergütung oder den Anforderungen von Stimmrechtsberatern an diese. Großes Interesse besitzt Klingenberg zudem im Bereich des digitalen und agilen Innovationsmanagements in Unternehmen. So beschäftigt er sich in seiner Dissertation momentan mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung von Intrapreneurship in Organisationen.

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