#HowToNewWork aus Beschäftigtensicht

Geht #NewWork und Vernetzung wirklich nur ohne Hierarchien? Veränderung im Unternehmen kann doch auch gut gelingen, wenn es klare Strukturen gibt. Die Antwort mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein, doch klar ist: Ohne Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, kein erfolgreicher Change. Eine Replik auf den Beitrag von Anna Kaiser und Michael H. Kramarsch.

Ob die „neuen“ Anforderungen an die Arbeitswelt es tatsächlich immer erfordern, eine klassische, hierarchische Struktur zu einer Netzwerkorganisation zu wandeln, ist zu diskutieren und kann kritisch hinterfragt werden. Es gibt Unternehmen, die auch mit eher starren, aber dafür klaren Hierarchien Veränderungs-Prozesse hervorragend umgesetzt haben. Klare Strukturen geben eben auch Sicherheit und verhindern, dass Verantwortung abgewälzt wird. Auch gibt es gesetzliche Anforderungen an die Organisation von Unternehmen, die einer Netzwerkorganisation Grenzen setzt. Hinzu kommen auch Unternehmen, die sich nur in Teilbereichen als „Netzwerk“ organisieren können oder wollen.

Aber unterstellen wir, die Beschäftigten und das Unternehmen möchten sich von einer Top-Down-Kultur zu einem innerbetrieblichen Netzwerk entwickeln: Gibt es eine Schnittmenge, in der in jedem Unternehmen, egal mit welcher Organisationsstruktur, Netzwerken befördert werden kann?

Ein offenes Ohr nahe an der Belegschaft

Wer erfolgreich sein will, muss Potenziale ausschöpfen. Dazu müssen Führungskräfte aber wissen, welche Talente im Unternehmen schlummern und welche Ideen bereits in den Köpfen keimen, um die Herausforderungen der Zukunft (u.a. Digitalisierung, Demographischer Wandel, Erhalt der Arbeitsfähigkeit) zu meistern.

Nur mit „Kontrolle abgeben können“ wird Veränderung nicht vollzogen. Es bedarf einer Kultur der Wertschätzung. Einer Kultur die Zuhören kann. Einer Kultur die Ideen, seien sie auf den ersten Blick noch so „verrückt“, einen Raum gibt und Fehler bzw. Misserfolge akzeptiert. Kurz: Es bedarf einer Unternehmenskultur, die Veränderungen (auch von Bottom-up) zulässt.

Liebe Führungskräfte, geht zur Mannschaft und redet miteinander. Ein offenes Ohr bewirkt, dass sich oftmals viele Verbesserungspotenziale entdecken lassen. Vielleicht findet sich darunter auch der Hinweis, verstärkt netzwerken zu wollen oder die Notwendigkeit, Veränderungen besser, aber ggf. auch nachhaltiger, umzusetzen.

Das Gute liegt oft so nah

Führungskräfte stehen oftmals vor dem Problem, dass sie nicht alle relevante Informationen erreichen. Auch fällt es nicht jeder Führungskraft leicht, in direkten Austausch mit der eigenen Mannschaft zu gehen, sei es der Zeit oder anderen Hemmnissen geschuldet. Die Belegschaft wiederum ist oft nicht völlig offen gegenüber ihren Vorgesetzen. Hier greift ein wichtiger Aspekt der gesetzlichen Mitbestimmung. Denn wer ist nah an der Belegschaft? Wer weiß, ob veränderte Prozesse funktionieren? Wer ist erster Ansprechpartner für Schwierigkeiten innerhalb des Arbeitslebens? Der Betriebsrat und die Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.

Kulturveränderungen setzen einen breiten Konsens im Unternehmen voraus. Wer Veränderungs-Prozesse erfolgreich managen will, muss daher immer die Mitbestimmungsgremien der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Beginn an und umfassend einbeziehen und sich so „das Leben einfacher machen“. Betriebsräte aber vor allem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wissen, wenn Veränderungen sich nicht umsetzten lassen und können dies zeitnah mitteilen. So können Anpassungen vorgenommen werden, bevor es zu Frust in der Organisation kommt. Es gibt wenig Menschen in einem Unternehmen, die die täglichen unternehmensinternen Probleme so genau kennen und zugleich einen Blick für die anstehenden Herausforderungen, vor denen das Management steht, haben. Ein Unternehmen ist daher gut beraten die Mitbestimmungsakteure als wertvolle Schnittstelle zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft zu verstehen. Dies gilt in der „neuen Welt“ noch mehr als in der „alten Welt“.

Es gelten Mitbestimmungsgesetze!

Viele Unternehmen haben verstanden, den Betriebsrat und Aufsichtsrat als Partner mit den gleichen Zielen zu verstehen und leben damit schon einen Aspekt einer Bottom-up-Kultur. Manche Manager allerdings „üben“ sich darin noch oder verletzten gesetzliche Mitbestimmungsrechte bewusst. Den Vertretern der Beschäftigten stehen aber „harte“ gesetzliche Mitbestimmungsrechte zu. Deren Nichtbeachtung ist nicht nur ein (neudeutsch) Compliance-Verstoß, sondern gefährdet oder verzögert maßgeblich die Umsetzung von Veränderungsprozessen. Veränderungen der Arbeitsorganisation ohne Einbeziehung des Betriebsrats sind beispielsweise unwirksam. Wenn die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (z.B. aus § 87 BetrVG) jedoch beachtet werden, ist dies ein zentraler Schritt dahingehend, dass der Change-Prozess legitimiert und von einer weiteren Instanz – dem Betriebsrat – mit nach vorne getragen wird. HR-Abteilungen und Führungskräfte sollten dies bedenken.

Fazit

How to New Work sollte darauf fußen die spezifischen Kenntnisse und Bedürfnisse der Beschäftigten kennen zu wollen und die Einbindung derer und der Mitbestimmung (Betriebsrat und Aufsichtsrat) als selbstverständlich zu erachten. „Hand in Hand“ wird dann eine (legitimierte) Grundlage für einen Change Prozess geschaffen. Der dafür notwendige Ordnungsrahmen muss daher auf einer Sozialpartnerschaft aufbauen, die eine wertschätzende Kultur des Vertrauens und der Verantwortung beinhaltet. Die direkte Beteiligung der Beschäftigten, der Mitbestimmungsakteure im Unternehmen sowie der Gewerkschaften sind Bedingungen für das Gelingen. Turnschuhe und Duzen sind dabei völlig egal.

Alle Führungskräfte sind aufgefordert „#HowToNewWork – die Netzdebatte“ nicht nur im Internet, sondern vor allem mit ihren Beschäftigten und deren Vertretern in Aufsichts- und Betriebsräten, zu führen. Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung – I.M.U. der Hans-Böckler-Stiftung fördert durch Hilfestellungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen eine kooperative Sozialpartnerschaft und damit auch den beschriebenen und notwendigen Diskurs.

 

Über die Autoren:

Dr. Lasse Pütz  und Marion Weckes leiten jeweils ein Referat im Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Sie beraten und schulen  Aufsichtsräte zu  gesellschafts- und mitbestimmungsrechtlichen Fragen und  insbesondere in den Themen Corporate Governance, Unternehmensmitbestimmung, Vorstandsvergütung, Aktienrückkaufprogramme und Rechnungslegung. Beide sind selbst langjährige Aufsichtsratsmitglieder. In ihrer Funktion als Aufsichtsräte haben sie Change-Prozesse zwar in der Theorie oft gut begründet bekommen, aber auch die praktischen Probleme in der Umsetzung miterlebt. Für sie fußt ein erfolgreicher Veränderungsprozess auf Wertschätzung und dem Miteinander. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist für sie ein zentraler Bestandteil unserer Demokratie.

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