Co-Leadership als Weg zu New Work

Eine Führungsposition, zwei Führungskräfte – das ist fachlich, inhaltlich und menschlich sinnvoll und passt ideal zu den Gedanken der agilen Teamführung, der Work Life Balance und des New Works. Nicht nur aus Sicht des Führungsduos, sondern auch aus Sicht des Teams. Ein Denkanstoß für ein neues, adaptives Führungsmodell.

Vom Einzelkämpfer zum Führungs-Duo

Sich eine Führungsposition zu teilen und nicht nach alleiniger Führung zu streben schien lange Zeit unvorstellbar. Der Wert einer Karriere wird regelmäßig an der Übernahme einer Führungsposition gemessen. Dass diese auf eine einzelne Person bezogen sein muss, ist dabei selbstverständlich.

Neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben dieses Bild verändert. Führungspositionen können, auch wenn dieser Wandel sich in unterschiedlicher Schnelle vollzieht, mittlerweile im Team besetzt werden. Allerdings hat sich hier praktisch bisher nur eine Form der gemeinsamen, gleichberechtigten Führung etabliert: Die Führung in Teilzeit.

Führung in Teilzeit ist schöpft Potenziale gemeinsame Führung nicht ab

Ein neues Verständnis der Rollenverteilung in Beziehungen und die Zunahme des Anteils von Frauen in Führungspositionen führen dazu, dass man auf Teilzeitkräfte in Leitungsfunktionen nicht verzichten möchte und kann. In weiten Teilen beschränken sich solche Konstrukte auf gemeinsame Führungssysteme für Frauen. Durch die Aufteilung der Arbeitszeiten handelt es sich bei diesen Modellen aber nicht um gemeinsame Führung im Sinne unseres Verständnisses. Vielmehr handelt es sich um die Teilung einer Position in zeitlich gleiche Anteile. Die Potenziale einer ständigen gleichzeitigen und gleichberechtigten Leitung werden damit aber nicht abgeschöpft.

Die Entwicklung in modernen Volkswirtschaften mit Umbrüchen in der Gesellschaft und neuen Prozessen in der Wirtschaft, die wiederum zu fundamentalen Veränderungen in der Arbeitswelt führen, geht also darüber hinaus.

Führen im Team ist New Work

Führung wird nicht mehr „um jeden Preis“ als erstrebenswertes Karriereziel angesehen. Potenziell erzielbare Einkommensvorteile werden gegenüber planbaren Arbeitszeiten, sozialer Integration in das Arbeitsteam und vor allem einem jederzeit möglichen Austausch auf Augenhöhe unabhängig von funktionaler Verantwortung sehr individuell bewertet. Genau diese Punkte haben auch wir abgewogen und daraus eine neue Führungsform entwickelt, die den Bedarfen des Unternehmens, des Teams und unseren individuellen Vorstellungen gerecht werden kann. Alle Erfahrungen aus Personalgesprächen und dem Austausch mit unseren Kunden zeigen uns – und dies verstärkt der Trend „New Work“ – dass nur solche Modelle in Zukunft akzeptiert werden und stabiles Personalmanagement gewährleisten können.

Der kleinste Think-Tank im Unternehmen

Unsere Doppelspitze setzt sich nicht aufgrund organisatorischer Notwendigkeiten zusammen. Dies führt aktuell immer noch regelmäßig zu Job- oder Topsharing von Frauen in Teilzeit. Damit führen aber auch wesentlich eher zwei Charaktere in ähnlichen Lebenssituationen ein Team. Unsere Zusammenarbeit geht von ganz anderen Grundlagen aus: Wir wollten diese Doppelspitze installieren, weil wir daraus neue Impulse für die Zukunft unseres Verantwortungsbereichs geschaffen und entwickelt haben. Wir bringen in die Doppelspitze völlig unterschiedliche Berufs- und Lebenserfahrungen ein und sind somit als Team in unserer Kreativität viel stärker. Unser Koffer an Instrumenten und Methoden ist reicher gefüllt – dies ist für die Personaldiagnostik und die Projektsteuerung gleichermaßen von Vorteil. Wir können Ressourcen und Wissen untereinander austauschen und so innerhalb des Bereichs und innerhalb eines etablierten Unternehmens den Start-up Gedanken einfließen lassen. Unsere Doppelspitze ist der kleinste Think-Tank im Unternehmen.

Persönliches Wachstum durch mehr Vielfalt

Wohlwissend, dass es ganz unterschiedliche Lebensvorstellungen und -wege gibt, lassen wir mehr zu. Für unser Team bedeutet dies die Chance zu persönlichem Wachstum aufgrund einer größeren Vielfalt an Vorbildern und einer gesteigerten Motivation im Team. Alle Teammitglieder haben die gleichen Voraussetzungen Projekte zu initiieren, zu leiten, ihre Meinung einzubringen und für neue Impulse im Team zu sorgen. Von einer Doppelspitze geführt zu werden, die sich nicht in ein bekanntes Führungscluster einordnen lässt, muss im Team ein Umdenken auslösen. Es fordert jeden Mitarbeiter auf, sich mit neuen Führungsstilen und neuen Arbeitsweisen flexibel auseinanderzusetzen. Diesen Prozess wünschen sich Teams – die Umsetzung ist allerdings auf Teamebene komplexer als auf Leitungsebene. Weil sie mehr Einsatz, Agilität, Reflektion und Kreativität jedes Teammitglieds erfordert. Das Verstecken hinter eingefahrenen Strukturen und Prozessen entfällt.

Co-Leadership als Motor des New Work-Gedankens

Drehen Sie den Spieß um! Ihre Teams wünschen sich mehr Mitsprache, Projekte, flexible Arbeitszeiten? Lassen Sie dies zu, aber fordern Sie es dann auch ein. Dies durch ein Co-Leadership Modell zu implementieren, bei dem die Partner durch individuelle Blickwinkel Impulse setzen, kann hier der Motor des New Work-Gedankens sein.

Ob ein ideales Team einer Doppelspitze ex ante definiert werden kann – das ist von vielen Faktoren abhängig. Nicht zuletzt muss die Chemie in der Doppelspitze stimmen. Umso mehr, je größer das Team ist und je agiler die Prozesse. Dies unterscheidet sich aber nicht von Führungskräften, die alleine agieren.

Potenziale von Diversity, Silver Agern oder des Female Shifts abbilden!

Der Trend zu Co-Leadership sollte aber nicht auf ein Modell für JobrückkehrerInnen reduziert werden und auch nicht auf die Antwort nach der Work Life Balance in Führungspositionen. Wobei: Doppelspitzenmodelle lassen unterschiedliche Ausprägungen zu und können so sowohl die Potenziale von Diversity, Silver Agern oder des Female Shift abbilden!

Im Zuge agiler Führung und zunehmend dynamischer Arbeitsabläufe werden die Aufgabengebiete von Führungskräften immer breiter: Sind wir Projektleiter, Personalleiter, Organisatoren, Teamleader, Entscheider, Handelnde oder Strategen? Und was sind wir zu welchem Zeitpunkt?

Zwei Personen machen den Job doppelt so gut

Als Doppelspitze haben wir gegenüber einzelnen Führungskräften nicht kompensierbare und nicht imitierbare Vorteile. Zudem treffen wir keine einsamen Entscheidungen. Wir sind Teil einer gleichberechtigten Interaktion und bleiben über diesen sozialen Prozess gleichzeitig Teil des gesamten Teams.

Schaffen Sie Tandems, die sich in ihren Fähigkeiten ergänzen, Synergien erzielen, kreative Gedanken im Wechselspiel ausfeilen, und in einem Prozess der gegenseitigen Verifizierung nutzenverstärkend im Unternehmen wirken.

Nicht zwei Personen machen den gleichen Job, den sonst einer macht – nein, zwei Personen machen einen Job doppelt so gut und durch die gegenseitige Verstärkung auch mit gesteigerter Effizienz.

„Verwunderung herrscht nur noch, wenn einer fehlt.“

Für uns und unser Unternehmen stellt sich nach mehr als 2 Jahren Erfahrung mit dem Modell Doppelspitze, einem rasanten Teamwachstum und Kennzahlen, die für sich sprechen, nicht mehr die Frage: „Können die Mitarbeiter damit umgehen, zwei Ansprechpartner zu haben und diese zu adressieren?“, „Wie stringent kann die Doppelspitze in der Realität ausgeübt werden?“. Es ist selbstverständlich geworden, dass wir zusammen entscheiden, Meetings bestreiten oder Präsentationen halten. Vielmehr sind alle im Unternehmen ganz selbstverständlich zu einer dualen Ansprache übergegangen und Verwunderung herrscht nur noch, wenn einer fehlt.

Unsere größte Bestätigung: wenn es auch nicht als Führungsprinzip im Unternehmen offen propagiert wird: Sowohl innerhalb unseres Bereichs wie auch außerhalb haben sich inzwischen „Nachahmer“ gefunden. Immer sind die Gründe für die Bildung von Tandems die zunehmende Komplexität sowie Veränderung und Innovation von Arbeitsabläufen und Arbeitsumfeld. Die Doppelspitze ist mehr als die Summe zweier Führungskräfte. In Teamrichtung, aber auch in Richtung Strategie und Zukunft.

 

Über die Autoren

Julia Collard und Sven Schnitzler sind leiten die Business School sowie den Vertrieb und das strategische Marketing der Europäischen Fachhochschule in Brühl (EU|FH). Neben ihrer Berufserfahrung kennt Julia Collard die Phase des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit ebenso wie die Gratwanderung zwischen Teilzeitjob und Führungsposition, Familie, Berufstätigkeit und Freizeit sowie dem idealen Zeit- und Projektmanagement. Auch Sven Schnitzler weiß um die Wendepunkte im Leben und ist überzeugt davon, dass es „die eine“ perfekte Karriere nicht gibt – selbst ganz unterschiedliche Berufsbilder können zum persönlichen Erfolg führen. Eigenschaften wie Kreativität, der Wunsch nach Perfektion und ein hoher Anspruch an Service und Qualität schaffen für ihn die Verbindung zwischen den Berufswelten.

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