New Pay – oder was verdienen wir in Zukunft? (1/2)

Wohin entwickelt sich die Arbeitswelt? Mit dieser Frage beschäftigen sich mittlerweile ganze Heerscharen von internen wie externen Beratern. Im Mittelpunkt stehen dabei die Integration digitaler Tools oder die Etablierung agiler Prozesse. Auch Unternehmensstrukturen und Zusammenarbeitskultur werden beleuchtet. Ein zentraler Aspekt bleibt jedoch immer noch außen vor. Und das ist das Vergütungsmodell der jeweiligen Organisation.

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen das Thema Entlohnung meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Denn zum einen ist es für viele Menschen immer noch ein Tabu über Geld zu reden und gleichzeitig ist Gehalt ein hoch emotionales Thema. So entladen sich am Gehalt dann immer wieder Konflikte, vor allem dann, wenn das Gehalt für Beschäftige zum Schmerzensgeld wird oder sie Ungereimtheiten vermuten.

Wem oder was dient das Vergütungsmodell?

Aus diesem Grund lohnt es sich ganz bewusst folgende Fragen zu beleuchten: Welche Funktion erfüllt das Vergütungsmodell für eine Organisation? Welchen Nutzen stiftet es Mitarbeitenden bzw. Mitarbeitergruppen? Betriebswirtschaftlich betrachtet scheinen die Antworten auf der Hand zu liegen. Bezieht man den Faktor Mensch sowie systemische Betrachtungsweisen mit ein, werden die Antworten deutlich komplexer. Entspricht das tatsächliche Gehaltsgefüge dem offiziellen Vergütungsmodell? Oder spiegeln sich darin implizite Spielregeln der Organisation wieder? Und wenn ja, welche sind das? Wird derjenige belohnt, der seine Ergebnisse bestmöglich präsentiert oder werden Teamplayer prämiert, die gemeinsam Höchstleistung vollbringen?

Wenn Organisationen sich neu aufstellen, liefern Vergütungsmodell und Gehaltsgefüge wichtige Informationen über die organisationale Reife des Unternehmens. Gleichzeitig ist das Vergütungsmodell eine bedeutsame Stellschraube bei der Etablierung neuer Wege der Zusammenarbeit. Hier muss sich abbilden, welchen Grundsätzen die Wertschöpfung in der Organisation folgt. Die Auseinandersetzung mit dem Gehaltsmodell ist damit ein wichtiger Schlüssel für ein erfolgreiches Update des eigenen „Betriebssystems“.

Trends und Entwicklungen

Apropos Auseinandersetzung: Im Rahmen der Blogparade „New Pay – was verdienen wir eigentlich?“ haben wir uns im vergangenen Herbst intensiv mit den Anforderungen an künftige Vergütungsmodelle auseinandergesetzt. Überrascht waren wir vor allem von der riesigen Resonanz. Wir hatten via Social Media aufgerufen das Thema Vergütung mit der „New Work Brille“ zu beleuchten. Denn eines war uns klar, das Thema Vergütung muss, stärker als bislang, in den Blickpunkt organisationaler Betrachtung rücken. Innerhalb von sechs Wochen steuerten 50 Autorinnen und Autoren 55 Beiträge bei (siehe Überblick, Teil 1 und Überblick, Teil 2). Das zeigt, dass es offensichtlich Diskussionsbedarf gibt.

So vielfältig und unterschiedlich die Beiträge zur Blogparade sind, einige Schwerpunkte zeichneten sich bereits in der Anfangsphase ab. Dabei zeigte sich die Verschiebung der Präferenzen von Erwerbstätigen vom Gehalt hin zu mehr Freizeit und Selbstbestimmung. So ist es keine Überraschung, dass auch über das Grundeinkommen intensiv diskutiert wurde. Die kritische Reflexion sogenannter leistungsgerechter Vergütungsmodelle war ein weiterer Schwerpunkt der Beiträge. Doch das Thema, das sich durch die meisten Texte zog, war das der Gehaltstransparenz. Angefeuert wird die Debatte durch das Entgelttransparentgesetz, das im vergangenen Jahr verabschiedet und in diesem Jahr nun zur Anwendung kommt. Doch auch die Gender-Pay-Gap-Debatte zeigt hier eine immer größere Wirkung.

Gender-Pay-Gap – Verhandlungsgeschick oder Kulturindikator

Wenige Diskussionen werden so emotional geführt, wie die über die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Interessanterweise verläuft der Graben hierbei weniger zwischen den Geschlechtern selbst. Wer genauer hinhört, erkennt vielmehr, dass es um Bewertungsmaßstäbe geht, mit denen die Diskutanten Lohngerechtigkeit definieren oder wer die Verantwortung für die Lohndifferenzen trägt.

Laut statistischem Bundesamt liegt der Gender-Pay-Gap derzeit bei 21%. Ursachen dafür gibt es mehrere. An dieser Stelle wollen wir einen Aspekt herausgreifen, der uns in Bezug auf die Kultur einer Organisation entscheidend erscheint. Und das ist der Gehaltsunterschied von weiblichen und männlichen Führungskräften innerhalb der gleichen Organisation. Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen diese Differenzen anhand unterschiedlichen Stellenbezeichnungen auf. Welche Dimensionen dieser Unterschied in einer einzelnen Organisation annehmen kann, zeigte sich jüngst unter anderem bei der BBC.

Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, um den Gehaltvorsprung von männlichen Führungskräften zu erklären, ist ihr vermeintliches Verhandlungsgeschick. Die Botschaft, die bei vielen mitschwingt ist sehr klar: „Frauen sind selbst daran schuld, dass sie weniger verdienen. Hätten sie besser verhandelt, würden sie das Gleiche bekommen“. Scheint auch logisch! Oder? Doch wer diesen Antwortautomatismus hinterfragt, dem öffnen sich andere Erklärungsmuster.

Wer trägt in einem Entscheidungsprozess die größte Verantwortung? Derjenige der Informationen zur Verfügung stellt? Oder die Personen, denen die meisten Informationen vorliegen?  Im Fall der Gehaltsfindung sind dies die Personen, die den Zuschlag für ein Gehalt erteilen. Sie kennen die Anforderungen an die Stelle, sie kennen die Bewerber, sie kennen deren Gehaltsforderungen und sie kennen das Gesamtgefüge der Gehälter in der Organisation. Auch haben sie die größte Erfahrung, wenn es um Gehaltsfindung geht, denn es ist ihr Aufgabengebiet.

Wieso antizipiert ein Unternehmen nicht den vermeintlichen Fakt des „selbstbewussten Verhandlers“ und reagiert im Aushandlungsprozess entsprechend? Warum ist es bereit für einen „guten Verhandler“ mehr auszugeben, wenn es die gleichen Kompetenzen für einen geringeren Betrag erhalten könnte? Entspricht der Wert, den ein angeblich „schlechter Verhandler“ aufruft am Ende nicht vielleicht sogar eher seinem realistischen Wertbeitrag? Hat der „forsche Verhandler“ die Interessen des Unternehmens im Blick oder geht es ihm darum den eigenen Nutzen zu maximieren und möglichst viel abzuschöpfen. Welchen Grad an Loyalität kann von einem solchen Mitarbeiter erwartet werden?

Wenn der Stellen- und Bewerbermarkt nur nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionieren würde, müsste der Markt weiblicher Führungskräfte eigentlich leergefegt sein. Aber da dem nicht so ist, gilt es die Mechanismen in Organisationen, welche die Personalauswahl und das Gehalt bestimmen, kritisch zu hinterfragen. Daher sagt der Gender-Pay-Gap in einer Organisation mehr über die dort vorherrschenden Spielregeln aus, als über das Verhandlungsgeschick der besser verdienenden Männer.

Doch wie ist das nun mit der Transparenz von Gehältern? Was sagt der Datenschutz? Welche Experimente werden bereits gewagt? Erfahren Sie im zweiten Teil des Blogbeitrags ab dem 05.03.2018 mehr über diese Themen und lesen Sie, welche weiteren Entwicklungen sich in Bezug auf Entgeltmodelle abzeichnen!

 

Über die Autorin

New Work-Enthusiastin und Mitinitiatorin der #NewPay-Blogparade im Herbst 2017.

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie ist bekennende New Work Enthusiastin und unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach in Veränderungsprozessen. Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen, lautet dabei ihr Leitsatz. Kooperation, Kollaboration und Ko-Kreation sind für sie die Schlüssel zur Zukunft der Arbeit. Gemeinsam mit Stefanie Hornung und Sven Franke initiierte sie im vergangenen Herbst eine Blogparade zu Vergütungsmodellen im Kontext der neuen Arbeitswelt. Im Spätherbst 2018 erscheint ihr gemeinsames Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ im Haufe-Verlag.

3 Kommentare

  1. 2. März 2018
    Antworten

    Hallo Nadine, schöne Zusammenfassung zum Thema #NewPay. Bin insbesondere gespannt auf den zweiten Teil, wenn es um die Themen Transparenz und aktuelle Experimente geht.

    Kleiner Hinweis: Der Link zum Thema „Grundeinkommen“ funktioniert nicht.

  2. Constantin Härthe
    5. März 2018
    Antworten

    Hi Gregor, vielen Dank für Deine Nachricht! Der Link zum Artikel über adas Grundeinkommen ist der Richtige, allerdings scheint der Beitrag nicht mehr da zu sein. Schade. Danke für Deinen Hinweis! Liebe Grüße aus Frankfurt, Constantin

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