Don’t try to fix it – it is not broken: Zur Sinnhaftigkeit einer Pay Ratio

Letzte Woche machte eine Studie der Böckler-Stiftung zur Vergütungsspanne von Vorständen zum durchschnittlichen Mitarbeiter die Runde, siehe u.a. auf Spiegel online. Das Echo auf diese Analyse zur sogenannten Manager to Worker Pay Ratio war wieder groß. Aber warum reizt der Verdienst von den wenigen Vorständen im DAX so viele andere Menschen so sehr?

Vorstandsvergütung ist im Kern kein betriebswirtschaftliches, sondern ein psychologisches und gesellschaftspolitisches Thema. Geld ist für uns alle abstrakt. Damit wir es dennoch kognitiv und sozial handhaben können, nehmen wir uns einfach gern selbst als Referenzpunkt, wie die Psychologen sagen. Und aus Sicht der meisten von uns ist eine DAX-Vorstandsvergütung eben unvorstellbar hoch.

Dennoch, die Pay Ratio hat keinen tieferen Sinn. Sie schürt nur Neid. In der Studie heißt es, die Höhe der Vergütung eines Vorstandsvorsitzenden dürfe nicht über dem 57fachen des Durchschnittsgehalts im Unternehmen liegen. Wer legt das fest? Und warum nicht über dem 45fachen oder über dem 65fachen? Wie lange gilt dieser Wert und für welche Unternehmen? Für 98% der deutschen Unternehmen ist der aktuell diskutierte Wert mit Sicherheit viel zu hoch, für 2% wahrscheinlich zu niedrig.

Und nun: Was kann durch eine Veröffentlichung von derartigen Spannen besser werden? Nichts! Wie lässt sich ein Unternehmen, das viele Mitarbeiter in Niedriglohnbereichen oder -ländern hat mit einem vergleichen, das beispielsweise viele Software-Ingenieure beschäftigt? Gar nicht! Wie lassen sich hoch variable Vergütungspakete von Unternehmenslenkern mit Vergütungspaketen im Tarifbereich vergleichen? Wenn überhaupt, dann ja nur in guten Jahren, weil in schlechten Zeiten – oben anders als unten – die Vergütung deutlich zurückgeht. Das untere Vergütungsniveau bestimmt also den Abstand nach oben mehr als das absolute Vergütungsniveau an der Unternehmensspitze.

Ja, wir brauchen eine Kontrolle der Vorstandsvergütung und kein ungehemmtes Wuchern exzessiver Gehaltsvorstellungen einiger weniger. Aber diese Kontrolle ist in Deutschland durch mitbestimmte Aufsichtsräte und durch weltweit führende Transparenzbestimmungen gerade in Fragen der Vorstandsvergütung gegeben. Hinzu kommen strenge Vorschriften für Aufsichtsräte, worauf sie bei ihren Entscheidungen in puncto angemessener Vorstandsvergütungen zu achten haben.

Seit den Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex aus dem Jahr 2009 müssen alle Aufsichtsräte bei ihren Vergütungsentscheidungen die Entwicklung der Vorstandsvergütung gegenüber dem oberen Führungskreis und der Gesamtbelegschaft in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Das macht viel Sinn. Eine Veröffentlichung und erst recht Rangplatztabellen sind dagegen überflüssig, aussagelos und verfolgen wohl andere als inhaltliche Ziele …

2 Kommentare

  1. Thomas Senftleben
    4. April 2017
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    Ein aktueller Hinweis passend zum Post: In einer eigenen Analyse wärmt das Handelsblatt nochmals das Thema Pay Ratio auf , siehe: http://www.handelsblatt.com/my/unternehmen/management/managergehaelter-auf-der-suche-nach-mass-und-mitte/19605782.html. Wenig überraschend ist Empörung der dominierende Tenor und einmal mehr entlarvt der Beitrag die Untauglichkeit der Kennzahl im unternehmensübergreifenden Vergleich: Es werden die berühmten Äpfel (in diesem Fall Gehalt von Zement-Werkern) Birnen (Banker-Vergütungen) gegenübergestellt. Das ist schlichtweg keine tragfähige Vergleichsebene. Ja, Aufsichtsräte müssen die Pay Ratio für ihr jeweiliges Unternehmen im Blick haben, und wenn notwendig gegensteuern. Aber wer auf Basis dieser Kennzahl unternehmensübergreifende Vergleiche vornimmt und darauf basierend vermeintlich ernsthafte Schlussfolgerung zur Qualität der Vorstandsvergütung publiziert, schürt bewusst eine Neiddebatte.

  2. Thomas Müller
    4. April 2017
    Antworten

    Es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Pay Ratio als Beweis für grobe Missstände in der Vorstandsvergütung herangezogen wird. Wer dieser Meinung ist, sollte sich in der Beweisführung aber auf echte Argumente stützen. Die Pay Ratio ist es nicht!

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